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Presseartikel: Churer «Pride» braucht Geld und helfende Hände

Kommentar und Hinweis zu diesem Artikel:

Das sozialwerk.LGBT+ für queeres Leben befindet sich nicht in finanzieller Not. Das Jugendangebot Chur treff.LGBT+ queeres Jugendzentrum Chur wird aktuell nicht hinreichend durch die öffentliche Hand finanziert. Daher ziehen wir in betracht unsere Angebot in Graubünden/Chur zu reduzieren. Die Spendenkampagne zielt darauf ab, dass wir weiterhin wie gewohnt Angebote in Graubünden realisieren können.


suedostschweiz.ch, Daria Joos 22.05.23


Kundgebung am Bahnhof Chur zur Khurpride 2022
Kundgebung am Bahnhof Chur zur Khurpride 2022

Trotz erfolgreicher Premiere findet dieses Jahr keine «Khur Pride» statt. Dafür wird mit einer Party Geld für die nächste Ausgabe gesammelt – denn die Finanzierung des Anlasses ist nicht einfach.


Mehr als 1200 Menschen haben vergangenes Jahr an der ersten «Khur Pride» teilgenommen, was die Erwartungen des Organisationskomitees bei Weitem übertroffen hat. An der Demonstration durch die Altstadt Churs und am anschliessenden Festival im Stadtgarten waren sich die Teilnehmenden einig: Die erste Pride Graubündens darf nicht die letzte sein. Sogar im Churer Gemeinderat und im Grossen Rat wurde der Verein Khur Pride, der den bisher grössten queeren Anlass im Kanton organisierte, gelobt.


Doch trotz positiven Rückmeldungen von allen Seiten bleibt die bunte Party mit dem aktivistischen Hintergrund diesen Juni aus. Anfang März teilte der Verein in den sozialen Medien mit: «Wir haben uns dazu entschlossen, die ‹Khur Pride› alle zwei Jahre durchzuführen.» Denn die Planung des Grossanlasses erfordere viel Freiwilligenarbeit – und Geld. Um die nächste «Pride» in der Bündner Hauptstadt finanziell stemmen zu können, werden nun bereits Spenden gesammelt – in der queeren Community selbst. Damit ist der Verein Khur Pride nicht alleine: Auch das Jugendzentrum sozialwerk.LGBT+ in Chur hat einen Spendenaufruf gestartet, damit weiterhin queere Anlässe und Beratungen stattfinden können (siehe Kasten).

Kein Geld von Stadt und Kanton

Ariana Meiler ist beim Verein Khur Pride für die Finanzen zuständig. Sie führt aus, wie aufwendig die Organisation des Anlasses ist: «Wir haben die erste ‹Khur Pride› zu siebt in unserer Freizeit organisiert. Der Aufwand war enorm.» Zwar könne der Vorstand diesen nach der Premiere besser abschätzen. Aber um direkt nach der ersten Durchführung weiterzumachen, hätten die Ressourcen gefehlt: die Zeit, das Personal – «und natürlich das Geld». Um dieses zu sammeln, musste sich der Verein nochmals ein Jahr Zeit nehmen, so Meiler.

Wie sie weiter sagt, hat die Durchführung der «Khur Pride» rund 30’000 Franken gekostet. Ein Grossteil der Kosten sei auf die Acts am Festival zurückzuführen, wobei diese aufgrund des knappen Budgets lediglich Mindestlöhne erhalten hätten. Dazu kämen die Miete der Infrastruktur, Versicherungen und Werbung. Gedeckt wurden diese Kosten laut Meiler durch den Verkauf von Einkaufstaschen und Tickets für die Afterparty, durch Spenden von Privatpersonen und Parteien sowie durch Beiträge von Stiftungen und Institutionen wie der Aidshilfe Graubünden. Das Vorstandsmitglied fügt an: «Die Bar haben wir selbst organisiert. Sonst wären wir im Minus gelandet.»


Somit war Khur Pride nicht auf die Defizitgarantie von Stadt und Kanton angewiesen. Zwar schätze das Organisationskomitee diese Absicherung, sagt Meiler. Zudem habe die Stadt Chur die Kosten für Dienstleistungen wie Strom und Bewilligung erlassen. «Aber finanzielle Unterstützung im Voraus hätte uns viel Druck genommen und Spielraum gegeben.» Andere Anlässe würden schliesslich auch von der Stadt gefördert. «Wir würden uns schon ab wenigen Tausend Franken freuen», betont die Finanzverantwortliche.

Hoffen auf Spenden aus der Grossstadt

Ganz fällt die «Khur Pride» in diesem Jahr aber nicht aus: Am Freitag, 26. Mai, organisiert der Verein zusammen mit der Partyreihe «Offstream» eine Party, um Geld zu sammeln. Gefeiert wird im Gegensatz zum letzten Juni aber nicht im Herzen Churs, sondern in Zürich. So hiess es in der Ankündigung des Anlasses: «Die Landeier besuchen die Grossstadt.»


Wieso sammeln die «Landeier» aber nicht dort, wo die «Khur Pride» stattfinden soll? Dort, wo sich queere Bündnerinnen und Bündner täglich mit ihrer Identität auseinandersetzen? «Weil das Ziel ist, möglichst viel Geld einzunehmen», antwortet Meiler. Es gebe viele Bündner Queers in Zürich, und durch die Kooperation mit «Offstream» sei die Reichweite gross. Sie verrät aber: «Auch in Chur organisieren wir dieses Jahr noch einen Anlass.»

Sponsoring kein Thema

Drei Wochen nach der «Khur Pride Soliparty» findet in Zürich die «Zurich Pride» statt, der grösste und älteste queere Anlass der Schweiz. Dessen Kosten können laut Angaben der Veranstalter nur dank Partnerschaften gestemmt werden. Dieses Finanzierungsmodell wird innerhalb der queeren Community immer wieder kritisiert:

Die «Zurich Pride» lasse sich von profitorientierten Firmen sponsern, die sich gar nicht für queere Anliegen einsetzen würden. «Pinkwashing» lautet das Stichwort für diesen Vorwurf. So wurden Kollektive wie der antikapitalistische Christopher Street Day Zürich gegründet, welche gesellschaftskritische Werte betonen und einen stärkeren politischen Charakter haben als die «Zurich Pride».

Diese Ansätze wurden auch bei der «Khur Pride» gelebt – und von den Teilnehmenden gelobt. «In der Community kommt das sehr gut an», sagt Meiler. «Pinkwashing» im Rahmen von Sponsoring sei bei der «Khur Pride» aber aktuell gar kein Thema, da der Verein ohnehin kaum Rückmeldungen auf Sponsorenanfragen erhalten habe.

Damit die «Khur Pride» jährlich stattfinden könnte, brauche es schlichtweg mehr Geld, resümiert Meiler. Der Vorstand mache sich auch Gedanken, wie der Verein queeres Leben im Allgemeinen fördern könnte. «Aber aktuell geht die Party in Zürich vor.» Die «Pride» nur als Demonstration, ohne Festival durchzuführen, sei nie zur Debatte gestanden. «Da würden viel weniger Leute teilnehmen», ist Meiler überzeugt. Sie fügt an, dass es für eine jährliche Durchführung nicht nur an finanziellen Mitteln fehle. «Wir sind auch immer auf der Suche nach Freiwilligen.»

 

sozialwerk.LGBT+ in finanzieller Not

Der Verein sozialwerk.LGBT+ hat diese Woche eine Spendekampagne gestartet. Via Internetportal «gofundme.org» richten sich die Betreibenden der queeren Jugendzentren in Chur und Buchs (St. Gallen) an die Öffentlichkeit, um die Schliessung der Einrichtungen zu verhindern: «Wir brauchen dringend Ihre Hilfe, um dieses wunderbare und wichtige Projekt am Laufen zu halten.» Die Spenden würden für den Unterhalt der Jugendzentren, Personal sowie Veranstaltungen und Aktivitäten verwendet. Die gemeinnützige Organisation für queere Jugendliche wurde im Jahr 2020 gegründet. Seit 2021 werden die beiden Jugendzentren betrieben, welche laut «gofundme» von über 80 Personen mehrmals pro Woche besucht werden. Diese Orte seien wichtige Unterstützungssysteme für die junge queere Community, die in ihrem Alltag oft mit Diskriminierung, Gewalt und Isolation konfrontiert sei.

 

Lesendenbrief von Björn Niggemann an suedostschweiz.ch bezüglich obigen Artikel/Darstellung:


sozialwerk.LGBT+, Björn Niggemann, 22.05.2023: Der gemeinnützige Verein sozialwerk.LGBT+ betreibt an den Standorten Buchs SG und Chur GR die ersten beiden professionellen queeren Jugendzentren. Dies sind Räume, in denen alle jungen Menschen bis 27 Jahren willkommen sind. Der Schwerpunkt unserer Jugendarbeit richtet sich aber an LGBTIAQ+ Menschen. Richtig ist, dass die Finanzierung in Chur nicht gegeben ist, da uns ein fixer Grundbetrag zur Deckung der Fixkosten fehlt. Dieser ist Voraussetzung dafür, dass wir beispielsweise bei Stiftungen Mittel anfragen können. Oft sind Förderkriterien derart reglementiert, dass die nachhaltige Finanzierung sichergestellt ist. Und das strebt unser Verein an. Die Beratungsdienstleistungen, die wir erbringen, sind immens. So haben wir in 2022 über 1300 Beratungen, vor allem junger Menschen geleistet, die unter anderem die Lebenswelt junger Menschen betrafen, das Thema Mobbing, Diskriminierung, Elternhaus etc. bis hin zu Suizidabsichten betrafen. Unsere Niderschwelligkeit und Kontinuität sind mittlerweile fester Anker junger Menschen aus Chur und Graubünden und geben im Safer-Space die Möglichkeit zum Austausch, runter kommen, andere kennen lernen und sich vernetzen. Wir haben dazu 2022 in über 5000 geleisteten Arbeitsstunden für queeres Leben ein Angebot geschaffen, das so einzigartig in der Schweiz ist. Das Angebot in St. Gallen ist hierbei bereits grundfinanziert durch den Kanton und eine jährliche Privatspende. Für Chur erhoffen wir uns eine breitere Unterstützung durch den Kanton und die Stadt Chur und sind daher zuversichtlich, dass die öffentliche Hand uns dabei hilft, eine Schliessung des Jugendzentrums in Chur abzuwenden. Denn alleine dies wird von über 60 Jugendlichen mehrfach die Woche besucht und genutzt.


Queere Grüsse

Björn Niggemann (Pronomen: er/sein/ihn etc.)

sozialwerk.LGBT+


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